Die Fragilität der Weltwirtschaft und die erhöhte Unsicherheit dürften die Aktien belasten. Vor dem Hintergrund eines möglicherweise volatileren Umfelds sollten Anleger bei ihren Aktienallokationen eine selektive Haltung einnehmen.
Angesichts der restriktiven Geldpolitik, der hartnäckigen Inflation und der durchwachsenen Wirtschaftsdaten entwickelten sich die Aktienmärkte über weite Strecken des Jahres 2023 besser als erwartet. Eine Fortführung dieses positiven Trends könnte sich für 2024 jedoch schwieriger darstellen.
Anleger stehen aufgrund der verringerten Aktienrisikoprämie und der hohen Anleiherenditen – ein Ergebnis der allmählich abschmelzenden Liquidität – weniger unter Druck, in „risikoreichere“ Renditen zu investieren, welche noch vor kurzem als notwendig erachtet wurden, um die Portfolioziele zu erreichen.
Die Verbraucher dürften im Großen und Ganzen weniger zum Wachstum beitragen. Überschüssige Ersparnisse verschwinden und es gibt viel weniger finanzielle Anreize zu investieren. Privathaushalte sind aktuell einer hohen Belastung durch die steigende Zinskurve ausgesetzt. So haben sich zum Beispiel in den USA die Auto- und Immobilienmärkte gut gehalten. Wir sehen aber mit Blick auf 2024, dass eine schmerzhafte Phase noch bevorsteht – die Symptome dafür zeichnen sich bereits ab. Der Anteil der Zinszahlungen der US-Haushalte am Zinseinkommen ist so hoch wie seit 1959 nicht mehr. Ebenso ist der Trend bei den Säumigkeitsraten der Kreditkarten von kleinen US-Banken sehr hoch. Vergleichbar war es nur 1992, dabei sind private Sparguthaben rückläufig. Parallel laufen diese Ereignisse zu einer Verschlechterung bei einer Arbeitslosenquote, die sich nahe ihrem 50-Jahres-Tief befindet.
Verbraucher, die sich zurückhaltender und preisbewusster verhalten, haben Konsequenzen für die Unternehmensgewinne, denn rückläufige Umsatzerlöse setzen wegen der schrumpfenden Gewinnmargen die Aktien weiter unter Druck. Verbrauchsgüter und Dienstleistungen, die auf die zyklischeren Marktsegmente ausgerichtet sind, scheinen gefährdet zu sein – wir haben kürzlich erhebliche Abwärtskorrekturen der Gewinnwachstumsschätzungen für 2024 beobachten können.
Unternehmen mit resilienteren Ertragsprofilen und stärkeren Bilanzen sind besser positioniert, um dem Druck der nach wie vor restriktiven Geldpolitik, der steigenden Verschuldung und der rückläufigen Verbraucherausgaben standzuhalten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Qualitätsaktien überzeugen, d. h. jene Titel, die jene Eigenschaften aufweisen.
Der Fokus auf Qualität ermöglicht eine Partizipation am Aufwärtswachstum und bietet gleichzeitig Schutz vor Abwärtsbewegungen. Qualität definiert sich generell durch gleichbleibende Erträge, eine gesteigerte Rentabilität und eine niedrige Verschuldung – alles leicht quantifizierbare Kennzahlen. Daneben gibt es aber auch qualitative Überlegungen, wie z. B. die Vertrauenswürdigkeit des Managementteams, die Unternehmenskultur, die Stärke der Marke, der Wettbewerbsvorteil, die Stärke des Geschäftsmodells und Katalysatoren, die einen Wert erschließen oder einen etablierten Marktteilnehmer stören können.
Das US Large Cap-Segment enthält einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Sektoren und Unternehmen, die Qualitätsmerkmale aufweisen. Im Zeitraum 2022–2023 wurden in den USA viele der Unternehmen, die Qualitätsmerkmale aufweisen, als Reaktion auf die aggressiven Zinserhöhungen in hohem Maße „neu bewertet“. 2024 empfiehlt sich, angesichts der potenziell erneut auftretenden Marktvolatilität Qualität nur unter Vorbehalt zu erwerben: Seien Sie selektiv. Zur Vermeidung größerer Drawdowns sollten Anleger das billige zyklische Ende des Marktes (zumindest vorerst) meiden und sich auch von den kleineren Bereichen fernhalten, in denen die Bewertungen zu hoch angesetzt sind.
Aufgeschlüsselt nach Sektoren profitieren vor allem die Bereiche Informationstechnologie, Industrie und Werkstoffe von den jüngsten US-Gesetzen, die umfangreiche steuerliche Anreize für saubere Technologien und Investitionen in neue Infrastrukturen bieten (z. B. Inflation Reduction Act, Bipartisan Infrastructure Law und CHIPS Act). Diese Anreize können von internationalen Unternehmen mit US-Niederlassungen wie auch von US-Unternehmen in Anspruch genommen werden.
Die straffere Geldpolitik hat sich auf die europäische Volkswirtschaft insgesamt früher ausgewirkt als auf die US-Volkswirtschaft, da die fiskalischen Rahmenbedingungen vergleichsweise weniger günstig sind. Gleichwohl scheint es weniger wahrscheinlich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen 2024 genauso stark senken wird, wie wir es von der Fed erwarten. Die EZB möchte offensichtlich, dass die Auswirkungen der aktuellen Zinssätze sich in der gesamten Volkswirtschaft entfalten. Gleichzeitig steigt jedoch die Gefahr einer Rezession, was auch in den jüngsten Prognosen der Europäischen Kommission bestätigt wurde. Sie stellte fest, dass „die hohen und weiter steigenden Verbraucherpreise für die meisten Waren und Dienstleistungen einen stärkeren Tribut fordern als erwartet“. Die Vergabe von Bankkrediten hat sich verlangsamt und die Kommission sieht „eine anhaltende Schwäche in der Industrie und eine nachlassende Dynamik im Dienstleistungssektor“.1
Die Sparquote der privaten Haushalte in der Eurozone ist zwar immer noch relativ hoch, aber in anderen Bereichen, darunter die inländischen Anlageinvestitionen, ist eine offensichtliche Verschlechterung zu beobachten. Sobald die Verbraucher ihre Kaufgewohnheiten anpassen, wird sich dies unweigerlich auf die Unternehmensgewinne auswirken. Auch wenn die Gewinnspannen sich auf einem hohen Niveau gehalten haben, korrelierten die Margen des MSCI Europe in der Vergangenheit in der Regel mit der Inflation – auf einen Höhepunkt in der Inflationsentwicklung der Inflation folgten häufig niedrigere Margen (siehe Abbildung 2).
Die anziehende japanische Inflation gibt Unternehmen, die sich mit Preiserhöhungen schwer getan haben, nun die Gelegenheit dies nachzuholen, was zu einer Steigerung von Umsatz und Gewinn führen könnte. Da die „Shunto“-Verhandlungen 2024 voraussichtlich zu höheren Löhnen führen werden (ein Schlüsselfaktor für die Inflation), könnten dies die Verbraucher zu mehr Ausgaben motivieren. Die Argumente für japanische Aktien haben sich in Verbindung mit den Staatsausgaben und der Hoffnung auf ein Exportwachstum verbessert.
Die Aufforderung der Tokioter Börse an die Unternehmen, ihre Corporate Governance und Kapitaleffizienz zu verbessern, ist ein weiterer potenzieller Wachstumsmotor. Den Unternehmen droht andernfalls die Aufhebung ihrer Börsennotierung. Auf diese Weise könnten hochwertigere, profitablere Unternehmen entstehen und dem Markt zu nachhaltigerem Wachstum verhelfen. Die Früchte dieser Kampagne zeigen sich bereits in den vermehrten Ankündigungen von Aktienrückkäufen.
Die gestiegene Risikobereitschaft angesichts der steigenden japanischen Renditen könnte auch die Zuflüsse in den Aktienmarkt begünstigen, während Unternehmen mit großen Bargeldbeständen versuchen könnten, in Wachstumschancen zu investieren, um mit der Inflation Schritt zu halten.
Schwellenmarktaktien tendieren zu einer Outperformance in einem „Best-Case“-Umfeld mit stabilem bis steigendem globalem Wachstum und globalem Handel, angemessener oder reichlicher globaler Liquidität (stabile bis sinkende Renditen und Inflation in den USA und weltweit, stabiler bis sinkender US-Dollar) und stabilen Rohstoffpreisen. Eine sanfte Landung in den USA und den Industrieländern könnte die schlimmsten Befürchtungen zerstreuen, ist aber auch keine Garantie für das Best-Case-Szenario.
Der chinesische Aktienmarkt dürfte die Talsohle durchschritten haben und eine kurzfristige Erholung zeichnet sich potenziell ab. In der Zwischenzeit scheinen sich die politischen Entscheidungsträger bei der Entwicklung eines Konjunkturprogramms, das die Wirtschaft schützt, ohne die strukturellen Probleme zu verschärfen, Zeit zu lassen. Eine hohe Schuldenlast, wenig fiskalpolitischer Spielraum, ein Überhang am Immobilienmarkt, eine sich verschlechternde demografische Situation und verstärkte geopolitische Spannungen sorgen weiterhin für einen eingetrübten längerfristigen konjunkturellen Ausblick. Das reale BIP-Wachstum dürfte sich von fast 5 % im Jahr 2023 auf 3 % in den nächsten Jahren abschwächen.
Die restriktive Geldpolitik und das langsamere Wirtschaftswachstum dämpfen die Aussichten für Aktien im Jahr 2024. Angesichts der erhöhten Volatilität bevorzugen wir ein selektives Engagement in Teile des Marktes, die die Merkmale von Qualitätsanlagen aufweisen. Aufgrund seiner Branchenzusammensetzung und der Wettbewerbsvorteile seiner Unternehmen wird der US-Markt bevorzugt. Wir sind aus verschiedenen strukturellen Gründen der Ansicht, dass Japan seine positive Dynamik auch im neuen Jahr aufrechterhalten kann. Anleger, die sich von Europa, den Schwellenländern insgesamt und China eine Outperformance erhoffen, dürften jedoch aufgrund des zyklischen Charakters dieser Volkswirtschaften und der sich verschlechternden konjunkturellen Bedingungen mit Gegenwinden konfrontiert sein.