Vor dem Hintergrund der derzeitigen Renditeniveaus, des rückläufigen Wachstums und der anhaltenden Desinflation rücken festverzinsliche Wertpapiere ins Rampenlicht und bieten Anlegern attraktive Chancen.
Mit Blick auf das Jahr 2024 und der Perspektive einer deutlichen Verlangsamung der konjunkturellen Entwicklung rechnen wir damit, dass festverzinsliche Staatsanleihen – und insbesondere US-Staatsanleihen – für Anleger mittelfristig zunehmend attraktiv werden. Wie bei verschiedenen anderen Anlageklassen gehen wir auch hier davon aus, dass die jüngsten Turbulenzen anhalten werden. Die scheinbar ungebrochene Stärke des US-Arbeitsmarktes und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Politik der US-Notenbank (Fed) sind eine Quelle der Besorgnis und werden dies sicherlich für einige Zeit bleiben. In der Zwischenzeit werden die Rückenwinde stärker, während die konjunkturelle Abschwächung und langfristige demografische Entwicklung zu greifen beginnen.
Die meisten großen Notenbanken haben die Leitzinsen so aggressiv wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr erhöht. Die Auswirkungen einer derart aggressiven geldpolitischen Reaktion sind jedoch bekanntermaßen langwierig und sehr unterschiedlich. Daher ist damit zu rechnen, dass die jüngsten Zinserhöhungen ihre Wirkung in einer Volkswirtschaft, die bereits mit einer unvermeidlichen Verlangsamung konfrontiert ist, erst noch entfalten werden. Damit einher geht eine Desinflationsdynamik, die noch eine Weile andauern dürfte. Dieser von der Politik gesteuerte Zyklus begünstigt eine übergewichtete Durationsposition bei Staatsanleihen, da niedrigere Zinsen und eine steigende Volatilität letztlich eingepreist sind. Wir sind der Meinung, dass der Markt für US-Staatsanleihen die sauberste Möglichkeit bietet, diese Marktpreisentwicklung zu erfassen. Neben der zyklischen Komponente spricht auch der längerfristige demografische Trend für unsere optimistische Haltung gegenüber Anleihen. Das verhaltene Wachstum der Erwerbsbevölkerung und der Produktivität – wie reflektiert in der Entwicklung in den USA (siehe Abbildung 1) – unterstreicht den fundamentalen langfristigen Wert der realen Renditen an den wichtigsten Märkten für Staatsanleihen.
Außerhalb der Vereinigten Staaten dürfte sich dies etwas anders darstellen. Beispielsweise ist die Kerninflation in den wichtigsten europäischen Märkten nach wie vor hoch bzw. es gibt Anzeichen, dass uns eine hartnäckige Inflation erhalten bleiben könnte. Hinzu kommen die höheren Energiekosten, die sich wahrscheinlich auf die Gesamtinflation auswirken. Der starke US-Dollar verschärft das Problem zusätzlich. Obwohl der Markt früher als bisher angenommen, und vielleicht aggressiver als die Verlautbarungen der Notenbanken vermuten lassen, auf Senkungen des Abzinsungssatzes reagieren könnte, besteht immer noch das Risiko, dass sich die Inflation verfestigt. Die Anleger in der Eurozone und anderen europäischen Staatsanleihen warten derweil ab, bis sie eine entschiedenere Bewegung in der Desinflationsdynamik erkennen können.
Die Kehrseite dieser aggressiven geldpolitischen Reaktion ist, dass europäische Anleger eine überzeugende Alternative haben, wenn sie auf kurze Sicht bei der Duration vorsichtig bleiben. Angesichts des dramatischen Anstiegs der Renditen kurzlaufender Anleihen ist das Risiko-Rendite-Profil (Rendite pro Jahr der Duration) an mehreren europäischen Märkten so attraktiv wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr (siehe Abbildung 2).
Investment-Grade-Unternehmensanleihen haben zwar von relativ soliden Fundamentaldaten profitiert, doch sie dürften sich in den kommenden Quartalen abschwächen, da das Umsatzwachstum während einer konjunkturellen Verlangsamung schwindet und das Gewinnwachstum durch den Druck auf die Gewinnspannen infrage gestellt wird. Vor diesem Hintergrund sehen die Spreads, die leicht unter dem durchschnittlichen Niveau der letzten 20 Jahre liegen, nicht gerade einladend aus. Außerdem ist Vorsicht geboten in Bezug auf die abnehmende Qualität des gesamten Anlageuniversums bei Unternehmensanleihen in US-Dollar, Pfund Sterling und Euro. Ein selektiver Ansatz ist überzeugend. Bei den derzeitigen Spreadniveaus können es sich Anleger unserer Meinung nach jedoch leisten, auf bessere Einstiegsniveaus zu warten.
Die absoluten Renditen (breites Benchmark-Niveau) für Anleihen unter Investment Grade sind in den letzten Quartalen im Zuge des allgemeinen Trends an den Anleihemärkten deutlich gestiegen. Diese Entwicklung ist angesichts des relativ geringen kurzfristigen Refinanzierungsbedarfs kein unmittelbares Problem. Jedoch kommt Besorgnis auf, sobald Schuldner zu deutlich höheren Kupons emittieren müssen, wenn die Renditen zum Refinanzierungszeitpunkt immer noch hoch sind. Vor allem bei auf Euro lautenden Schuldtiteln besteht in zwei bis drei Jahren ein erheblicher Refinanzierungsbedarf. Je länger die Renditen auf diesem relativ hohen Niveau verharren, desto größer ist das Risiko deutlich höherer Refinanzierungskosten für die Emittenten.
Analog zu ihrem Investment-Grade-Pendant werden hochverzinsliche Anleihen zu relativ geringen Spreads gehandelt. Die Ausfallquoten sind derzeit recht moderat, könnten aber steigen, sollte 2024 die von uns prognostizierte Konjunkturabschwächung eintreten. Wir rechnen in diesem Umfeld mit einem Anstieg der Risikoquoten und der durchschnittlichen Spreads auf Indexebene. Daher halten wir hochverzinsliche Anleihen bei den derzeitigen Spreads nicht für überzeugend.
Angesichts der gestiegenen Volatilität und Unsicherheit erscheinen Staatsanleihen von Schwellenländern in Hartwährung angesichts der gebotenen Spreads derzeit attraktiv. Da die Spreads im High-Yield-Subsegment deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegen, haben die Märkte die meisten Bonitätsereignisse bereits eingepreist (siehe Abbildung 3). Die Kreditqualität hat sich mit der veränderten Bonitätszusammensetzung der Indizes verändert. Bei den Hochzinsanleihen hat der Anteil der am niedrigsten bewerteten Kredite zugenommen, da Länder ausgefallen sind, ihre Schulden umstrukturiert haben und herabgestuft wurden. Im Investment-Grade-Bereich hingegen ist der Anteil der am höchsten bewerteten Anleihen gestiegen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass hoch bewertete Golfstaaten als große Emittenten hinzugekommen sind, was zu einer Qualitätsverbesserung geführt hat. Zudem besteht das Potenzial – sollte die US-Rezession ausbleiben –, dass sich die Spreads weiter verengen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer weiteren Aufwärtsbewegung bei Staatsanleihen, wenn die Daten eine Wende einleiten und der Markt beginnt, einen Kurswechsel der Fed hin zu einer expansiveren Geldpolitik einzupreisen.
Andererseits ist die Situation für Schwellenländeranleihen in lokaler Währung (EMD LC) viel komplexer geworden. Zum einen hat sich die Geldpolitik der Schwellenländer von der Fed abgekoppelt, so dass die Differenz zwischen der Rendite von EMD-LC und US-Treasuries so niedrig ist wie seit 15 Jahren nicht mehr. Außerdem trübt der starke US-Dollar den kurzfristigen Ausblick – nicht nur wegen seiner direkten Auswirkungen auf die Währungsrenditen der Schwellenländer, sondern auch indirekt wegen seiner Auswirkungen auf die Inflation der Schwellenländer. Dennoch sind die realen Renditen für einige der größten Titel im breiteren EMD LC Index inzwischen positiv, und auch wenn sie immer noch unter denen von US-Staatsanleihen liegen, bieten sie gegenüber dem Euroraum einen Vorteil.
Wenn die eindrucksvolle Resilienz der US-Wirtschaft 2024 schwindet, bieten festverzinsliche Staatsanleihen für Anleger unserer Meinung nach eine lohnende Gelegenheit. Der Markt für US-Staatsanleihen ist wahrscheinlich am besten geeignet, diese Chance zu nutzen. Auch am kurzen Ende mehrerer Staatsanleihemärkte bietet sich Anlegern, die nicht bereit sind, die Duration stärker zu nutzen, ein überzeugendes Rendite-Durations-Profil. Die konjunkturelle Abschwächung und der fortschreitende Kreditzyklus dürften die Unternehmenserträge und -bilanzen vor Herausforderungen stellen. Wir gehen daher davon aus, dass es in den kommenden Quartalen lohnendere Einstiegsniveaus für Kreditanleger geben wird. Sofern eine harte Landung vermieden werden kann, dürften Schwellenländeranleihen in Hartwährung attraktive Spread-Chancen bieten. Bei Schwellenländeranleihen in lokaler Währung ist das Bild nuancierter, bietet aber immer noch ein attraktives Aufwärtspotenzial für Anleger aus der Eurozone.